Dienstag, 29. Oktober 2013

Spione, Politiker und andere Aufreger

Wer hätte das gedacht: Auch anerkannte Jugendschutzfilter taugen nichts, sondern sind ein Griff ins Klo. Warum wundert mich das nicht? Ach ja, deshalb, deshalb, deshalb, deshalb, deshalb oder deshalb.

Grundsätzliche Probleme wie Überfilterung und Slippery Slope sind jedoch egal, wie wieder einmal das Beispiel England zeigt. Dort schießen Rechteinhaber mit geheimen Blocklisten ungerührt auch legale Seiten aus dem Netz – ohne Prüfung und ohne Möglichkeit zum Widerspruch.

In Fortsetzung der anscheinend unendlichen Geschichte von Angriffen, Eingriffen und Begehrlichkeiten: Während das Lavieren der Politik immer mehr zur Lachnummer wird, macht Kai-Uwe Steffens unter dem Titel „Umfassende Überwachung raubt der Weltbevölkerung ihr Recht auf Privatheit“ noch einmal die Tragweite des Problems klar. Wer angesichts dessen meint, dass Privatsphäre ein überholtes Konzept ist, muss sich von John F. Nebel in Privatsphäre Z die Konsequenzen vor Augen halten lassen:

„Ich behaupte, dass es unmöglich ist, zu antizipieren, welche freiwillig oder unfreiwillig preisgegebenen Daten mir irgendwann in der Zukunft auf die Füße fallen werden.

Denn die Mechanismen, was einem auf die Füße fallen könnte, sind einerseits nicht durchschaubar, weil sie in der Zukunft liegen und auf der anderen Seite auch heute schon absolut intransparent und willkürlich.“

Oder präziser:

„Am Konzept der Privatsphäre hängt:

  1. die Freiheit zu denken und zu sagen, schreiben, machen was man will.
  2. das Versprechen frei von Diskriminierung und Sanktion zu sein.
  3. ein Ausgleich gegenüber der Macht und Gewalt des Staates.

Fehlt Privatsphäre, müssen wir fürchten, dass abweichendes Denken und Handeln noch stärker zu Diskriminierung und Sanktion führt. Dabei wird der Rahmen, was zu Sanktionen oder Diskriminierungen führt, immer durch Herrschaftsverhältnisse definiert werden.

Das Ende der Privatsphäre, wie wir es gerade erleben, ist in diesem Sinne eine totale Niederlage. Wir haben die Privatsphäre verloren, ohne dass sich an Hierarchien, Herrschaft und Kontrolle etwas verändert hätte. Im Gegenteil sogar zementiert sich Herrschaft durch den Verlust der Privatsphäre. Sie baut ihre Macht auf unsere Kosten aus – und es wird immer schwieriger diese zurück zu gewinnen.

Thomas Stadler setzt sich ebenfalls mit der Post-Privacy-Falle auseinander:

„Das Gegenteil von Privacy ist die Transparenz aller Daten. Transparenz bedeutet Kontrolle. Aus diesem Grunde muss der freiheitlich-demokratische Staat, der vom Spannungsverhältnis Staat-Bürger geprägt ist, dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt transparent agiert und maximal kontrolliert wird, während dem Bürger die größtmögliche Intransparenz zuzubilligen ist. Wer das Ende der Privatheit propagiert, ermöglicht damit den gläsernen und transparenten Bürger.“

Auch Bruce Schneier befasst sich damit, wie die aus unterschiedlichen Strategien erwachsenen Überwachungsmethoden von Staat und Wirtschaft zu einer Einheit verschmolzen sind, mit entsprechenden Folgen:

„Moore’s law has made computing cheaper. All of us have made computing ubiquitous. And because computing produces data, and that data equals surveillance, we have created a world of ubiquitous surveillance.

Now we need to figure out what to do about it. This is more than reining in the NSA or fining a corporation for the occasional data abuse. We need to decide whether our data is a shared societal resource, a part of us that is inherently ours by right, or a private good to be bought and sold.“

Wenig überraschend – die NSA sammelt Kontaktlisten aller Art wie E-Mail-Adressbücher, Messenger-Verzeichnisse, Freundeslisten mit dem großen Schleppnetz bei Google, Yahoo, Microsoft, Facebook und vielen anderen ein. Wie dies und anderes in der Praxis funktioniert, zeigt das Video How the Government Tracks You: NSA Surveillance im Schnellüberblick:

Währenddessen schließt man in Europa faule Kompromisse mit Hintertüren oder ignoriert Themen wie Datenschutz und Bürgerrechte gleich ganz. Lesenswert in diesem Zusammenhang das Interview mit Peter Schaar, dem jetzt in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen deutschen Bundesdatenschutzbeauftragten.

Mittlerweile ist es nicht mehr schwer, Nutzer über den „Fingerabdruck“ ihres Browsers ganz ohne Cookies zu identifizieren und zu verfolgen. Die eigene Datenspur im WWW lässt sich mit dem Firefox-Addon Lightbeam anschaulich darstellen. Die neue Erweiterung bietet ähnlich wie Ghostery außerdem die Möglichkeit, Cookies, Tracker und Seiten zu blockieren. Vor kurzem hatte ich bereits auf einige Tipps zum Spurenverwischen verwiesen. Aktuell listet die Electronic Frontier Foundation zehn Maßnahmen gegen Internet-Überwachung auf, die jeder umsetzen kann und sollte.

Derweil hat Mozilla-Chefentwickler Brendan Eich in The Bridge of Khazad-DRM die Entscheidung des World Wide Web Consortiums massiv kritisiert, Kopierschutzverfahren in die HTML-Spezifikation aufzunehmen.

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